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Impulsreferat Kongress Frauen und Schule(21.04.2007)Man hätte ja meinen
können, nach der Errungenschaft der gleichgeschlechtlichen Partnerschaft
hätten sich die Lesbenbewegung zum Picknick niedergelassen, und zwar jede an
dem Plätzchen, was ihr lieb ist. Und im Wald ist es manchmal richtig
schwierig auf andere zu stoßen, in der stille schleicht sich manchmal das
Gefühl ein, ganz alleine zu sein In Wahrheit hat das
Partnerschaftsgesetz viele Frauen nie sonderlich interessiert, kennen nicht
zu viele von uns die Ehe als Zwangsinstitution. Nur ungefähr jede dritte
Lebenspartnerschaft wird zwischen Frauen geschlossen. Daraus leiten sogar
einige Statistiker ab, dass es eben weniger Lesben als Schwule gibt.
Partnerschaften mit Kindern gibt es allerdings fast ausschließlich bei den
Frauen, noch nie hat jemand daraus abgeleitet, dass es auch mehr Lesben als
Schwule geben könnte. Vor mir läuft in der
Fußgängerzone eine gutaussehende junge Frau auf Stöckelschuhen. Wie kann
jemand solche Schuhe anziehen, denke ich, ist das schon wieder „in“? Passt
das zu den edel zerfetzten Jeans? Halblange Haare mit Strähnchen. Sie hat
drei Einkaufstaschen mit Aufdrucken von Markenfirmen und telefoniert beim
Laufen mit einem Handy. Die junge Frau ist so sehr mit sich selber beschäftigt,
dass sie nicht merkt, dass ich mit meinem Kinderwagen vorbei möchte und sie
im Weg steht. „Blöde Tussi“, denke ich.
Da winkt ihr eine andere Frau von der gegenüberliegenden Straßenseite zu. Sie
kommt auf uns zu und küsst die Tussi auf den Mund. Eine Lesbe? Vor kurzem waren sich
meine Freundin und ich sich in unserem Stammcafé total sicher, dass die neue
Bedienung eine Lesbe ist. süß sah sie aus, mit Ihrem Kurzhaarschnitt, der
schwarzen Weste, knabenhafter Figur und mit dem gewissen Blick, den sie ihren
weiblichen Gästen schenkt.. Eine gewisse Enttäuschung stellte sich bei uns
ein, als wir mitbekamen, dass sie von ihrem Freund abgeholt wurde. „Frau Cassau, ist doch
keine Lesbe“, hörte ich vor kurzen bei einer Unterhaltung von Schülerinnen,
„die hat doch ein Kind.“ Während in meiner
Studienzeit die Lesben noch eindeutige Erkennungsmerkmale hatte und ein
unverwechselbares Profil scheinen sie heute zunehmend unsichtbarer zu werden.
Lesben haben nicht mehr kinderlos, unverheiratet, feministisch, maskulin, kurzgeschoren,
ungeschminkt und politisch zu sein. Und sie suchen nicht mehr nach
eindeutigen Symbolen. Einen Schwulen erkenne ich in der Regel noch auf
hundert Meter Entfernung an seinem Gang, aber zu Frauen sage ich nun lieber
nichts mehr, bevor sie sich nicht selber outen. Und überhaupt, was
verbindet denn eigentlich eine 60jährige geschiedene, feministische Lesbe mit
drei Kindern und eine 18jährige unpolitische junge Frau mit Bauchpiercing,
die zu allen Gaypartys geht? Hat die 60 jährige nicht
mehr gemein mit den Frauen der Seniorinnengruppe der CSU, kann sie nicht eher
ein Zuhause finden bei Frau Von der
Leyen und Angela Merkel als bei einer jungen Lesbe die Sido „cool“ nennt und
zu viele Frauen auf einem Haufen anstrengend findet. Es scheint manchmal, dass
die Szene so vielfältig geworden ist, dass wir unsere Identität verloren
haben. Es gibt nichts mehr, was uns zwingend verbindet, die
Unterdrückungsmechanismen haben sich vervielfältigt und verallgemeinert., es
gibt keine lesbischen Heldinnen mehr. Alice Schwarzer hat zwar
ihren Durchbruch in die allgemeine gesellschaftliche Akzeptanz geschafft und
ist bis in die Abende der Volksmusik
aufgestiegen, ihre Genialität findet inzwischen allgemeine Anerkennung, aber
ist sie eine Lesbe?, fragt meine Mutter. Die neuen Heldinnen der
Frauen heißen tatsächlich von der Leyen und Merkel, denn die Karrierefrauen
und Mütter teilen einen gemeinsamen Leidensdruck, der sie verbindet. Wir
können nur hoffen, dass sie auch uns als Thema mitentdecken, sowie wir häufig
inzwischen darauf angewiesen sind, dass die schwulen unsere Anliegen
miterwähnen. Aber eigene Vorkämpferinnen? Kann ich überhaupt noch WIR sagen,
ohne einer auf die Füße zu treten? Brauchen wir etwa gar
keine Lesbenbewegung mehr, weil es keine Unterdrückung und Diskriminierung
mehr gibt? Vielleicht sind unsere Leiden aber nur vielfältiger, undurchschaubarer und komplizierter geworden. Und das Leben mit seinen unbegrenzten Möglichkeiten der Fortpflanzung, Berufsfindung und Selbstausbeutung. In einem Land in dem besonders Frauenberufe völlig unterbezahlt sind, in dem soziale Ungerechtigkeit wächst und Frauen mit gleicher Qualifikation wie Männer (nun in einer EU Studie erwiesen) keine Gleichstellung erfahren, in der Frauen stets mehr Leistung abgefordert wird als Männern und in der die katholische Kirche eine Renaissance erlebt raubt uns der individuelle Kampf um Sichtbarkeit, Geld, Anerkennung und Vereinbarkeit von Beruf und Familie die Luft zum Atmen, Kraft zum Denken und die Energie uns zu verbünden. Jutta Cassau |
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